„Handtaschen erzählen“
Handtaschen mit Geschichte — Eine interaktive
Wanderausstellung (von © Martina „TINEDA“ Eder)
Dieses Kunstprojekt ist als „Projekt in progress“ konzipiert und soll 2013, in gemeinsamer Arbeit in Workshops, erweitert und im November 2013 im Pflegewohnhaus Meidling in Form einer Ausstellung gezeigt werden.
Einige Handtaschen sind als Leihgabe mit dabei, andere wurden individuell gestaltet und immer neue sollen dazu kommen, mit neuen Geschichten…
Kaum ein Gebrauchsgegenstand behält seine Wichtigkeit so intensiv bis ins hohe Alter wie eine Handtasche.
Handtaschen und ihr Inhalt sind ein Stück Zeitzeugnis. Jede einzelne „Handtasche“ kann als Begleiterin eines langen, erfüllten Lebens eine Geschichte erzählen.
Die Ausstellung greift exemplarisch einige dieser
Geschichten auf und gibt Anregungen sich an die eigenen Geschichten zu erinnern.
Mit Hilfe von Biografiearbeit und Erinnerungsarbeit werden immer neue Taschenobjekte gemeinsam erarbeitet und diese werden somit Teil dieses Kunstprojektes.
Die Tasche, ein geheimer und privater Raum!
Der Inhalt, ein Stück Zeitgeschichte!
Gerüche und Material einer Tasche wecken Erinnerungen!
Im Alter wird die Handtasche besonders wichtig, oft wird nach ihr gesucht, sie ist immer und überall dabei.
Egal wohin man geht, ins Theater, zum Einkaufen, ins Spital oder ins Pflegewohnhaus…
„Festklammern“ an der eigenen Handtasche ist oft der letzte Halt!
„Handtaschen erzählen“
Erinnerungsarbeit und Biografiearbeit*
Projektkonzept und Idee: © Martina Eder, freischaffende Künstlerin, Dipl. Kunsttherapeutin, vormals Heimhelferin
Projektmanagement und Organisation: Silvia Konrad, bildende Künstlerin und Kuratorin
Auftraggeber/Kooperationspartner: Pflegewohnhaus Meidling (PME)
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DOKUMENTATION:
* Biographie heißt wörtlich übersetzt „Lebensbeschreibung“
und ist die Auseinandersetzung und Beschäftigung
mit der Lebensgeschichte der TeilnehmerInnen
Ein zentraler Aspekt der Erinnerungsarbeit und
Biografiearbeit liegt in der Unterstützung,
das Bild von der eigenen Person aufrechtzuerhalten.
Der portugiesische Schriftsteller, Fernando
Pessoa, bringt das auf den Punkt, in dem er sagt:
»Jawohl, was ich bin, wäre unerträglich, könnte ich
mich nicht erinnern, was ich war.« (Pessoa 2003)
(Gruppe beim workshop workshop 1)
Das Bereitstellen autobiografischer Objekte
wie eben einer Handtasche und deren Inhalt
schlagen eine Brücke zur Vergangenheit und
lassen Erinnerungen aufleben, wobei das
WIEDERERKENNEN oft leichter ist als
das WIEDERERINNERN.
Das Ansehen alter Fotografien, das Sprechen
über Orte der Kindheit , das hören alter Lieder
eröffnet einen Zugang zu längst vergessen
geglaubten Spuren und Empfindungen.
(gezeichnete Papiertaschen, workshop 3)
(Gruppe beim workshop, workshop 4)
„…die vielen Mädchen waren das schönste Erlebnis.
I hab net wegen der Liebe geheiratet – Sie war
verliebt in mich. Ich war immer a Strizzi!“
((Ernestine K. (li.) Eleonora W. (re.) workshop 5))
Das Sehen, Berühren und Riechen von Objekten
weckt Erinnerungen.
Die Projekt-Teilnehmerinnen suchen sich eine
Handtasche aus, in der ihre Erinnerungen
gesammelt werden
Frau Ernestine K. sucht sich eine helle Handtasche
aus und erzählt:“ Ich habe eine beigefarbene Tasche
von der Mutti bekommen. Mutti hat gesagt:
„Nimm die Tasche ABER pass auf!“
Frau Maria E. hatte früher eine
Kuverttasche, für unter dem Arm tragen;
die Tasche war hell; es war eine
Geldbörse mit Schillingen und
Groschen darin; die Tasche hat sie
mit in die Kirche genommen;
es waren keine Liebesbriefe in der
Tasche, sie haben keine „haben“
dürfen, da die Eltern sehr streng
waren; als junges Mädchen hat sie
gerne getanzt, mit Burschen, musste
allerdings sehr früh zu Hause sein.
Frau Johanna R. hat heute ihre kleine blaue Handtasche
mitgebracht. Sie öffnet sie für uns und zeigt uns
den Inhalt ihrer Tasche: eine Brille, Schlüssel,
Ausweis, Taschentuch, ein paar Stifte und ein paar
„Netsch“, die braucht man auch immer wieder.
Sie lacht und meint ich seie schon sehr neugierig.
„Es war eine andere Zeit früher, gemütlicher und
langsamer “ Frau Johanna R. erzählt uns heute viel
über ihre Lieblingsinsel „Lanzerote“ wegen den
schönen Lavasteinen, wie sie ihren Mann kennen
gelernt hat bei ihrer Arbeit und dass ihr Lieblingsfach
in der Schule Musik war.
Frau Hilde G. sieht die kleine Spielorgel lange skeptisch
an, bevor sie selber Hand anlegt und der Melodie
lauscht.
Die Praktikantin Annika schreibt die Erinnerungen
der Frau Johanna R. fleißig mit. Am Ende der Stunde
will Frau R. das Mitgeschriebene lesen. Es gefällt ihr
gut aber manche Formulierungen muss Annika
korrigieren.
Das Betrachten alter Ansichtskarten erweckt
Erinnerungen. Frau Maria E. erinnert sich an ihre
Reisen in die Schweiz – schöne Ausflüge nach
Zürich habe sie gemacht mit ihren Freundinnen.
Die Plaudertasche sammelt Geschichten zu dem
Thema „Wie haben Sie Ihren Partner/Ihre Partnerin
kennen gelernt.“ Diese Geschichten/Erinnerungen
werden in der Plaudertasche gesammelt und
können immer wieder vorgelesen werden.
Entstanden ist diese Tasche im Pflegewohnhaus
Tuttlingen (Deutschland) im Rahmen der
Wanderausstellung „Handtaschen erzählen“.
(Eleonore B. und Frau Karoline D., workshop 9)
(Eleonore B. und Frau Karoline D., workshop 9)
Frau Eleonore B. und Frau Karoline D. sind heute
zum Ersten mal dabei. Sie suchen sich gemeinsam
eine Tasche aus für ihre Erinnerungen.
„Eine Tasche reicht für uns beide, wir haben ja
nicht so viele Erinnerungen“ meint Fr. Karoline D.
und Fr. Eleonore B. findet das auch eine gute Idee.
Einer ihrer schönsten Erinnerungen sei die Hochzeit
mit ihrem Mann, erzählt sie.
Frau Hilde G. sitzt heute zwischen ihrem Sohn
und ihrer Schwiegertochter, die zu Besuch
gekommen sind. Frau Hilde G. freut sich über
die vielen verschiedenen alten Ansichtskarten
und die besonders Schönen zeigt sie ihrer
Schwiegertochter.
Spielend zu Erinnerungen kommen! Das Spiel
„Vertellekes“ soll Anstöße geben zum Erinnern,
Nachdenken, Schmunzeln und Singen – ohne
Versagensangst und Leistungsdruck!
Frau Maria E. erinnert sich und erzählt sehr
ausführlich wie sie im Herbst gemeinsam mit
ihrer Schwester und ihrer Mutter großen
ausgezogenen Apfelstrudel gemacht haben.
Alle Schritte vom Äpfel glauben und schälen
bis hin zum Teig „ausziehen“ und Holzofen
anheizen und Strudel aufteilen und aufessen
sind ihr langsam wieder eingefallen.
Die gemeinsame Arbeit besteht in der Suche nach
individuellen Möglichkeiten „sich auszudrücken“.
Die Kunsttherapie bietet verschiedenste Räume
und Möglichkeiten, denn in der Kunst darf alles
sein! Es gibt keinen falschen Ausdrucksversuch.
Ein materialisierter Ausdruck (wie eben eine
Zeichnung) tritt in Erscheinung und wird somit
erleb- und wahrnehmbar nicht nur für den
Menschen mit Demenz sondern auch für den
Betrachter. Eine dialogische Begegnung auf
künstlerischer Ebene wird möglich.
Frau Hildegard S. kam heute mit einer schönen
Stola um die Schultern gelegt. Stolz erzählte sie
uns, dass sie diese Stola selber gehäkelt habe in
den langen Wintermonaten um sich die Zeit zu
vertreiben. Ihre Lieblingsbeschäftigung war das
nicht gerade aber eine sinnvolle Arbeit, weil die
Stola schön warm ist. Für das Foto musste die
Stola noch schnell zurecht gelegt werden, damit
sie auch gut sichtbar ist.
Über den Geruchssinn Emotionen und
Erinnerungen wecken!
Beim alternden und gerade beim verwirrten Menschen
sind oft Geruchs- und Geschmackswahrnehmung
beeinträchtigt.
Ein spielerisches aktivieren des Geruchssinns
kann Erinnerungen an Erlebnisse und Ereignisse
wieder wach werden lassen: „Ja den Geruch kenne
ich, aber ich weiß jetzt nicht….“ Frau Karoline D.
erinnert sich an die alten Zeiten, wo man keinen
reinen teuren Bohnenkaffee getrunken hat,
sondern die Kaffeeebohnen wurden mit
Zichorien- und Malzkaffe gemischt.
E I N L A D U N G
„Handtaschen erzählen“
Handtaschen mit Geschichte — Eine interaktive Wanderausstellung
Eröffnung der Ausstellung: 26. November 2013, 14:00-16:00 Uhr
Begrüßung: Dr.in Christa Wutschitz, MBA
leitende Direktorin des Pflegewohnhauses Meidling
Einführung: Silvia Konrad und Martina Eder
Im Mehrzwecksaal des Pflegewohnhauses Meidling (PME)
Stüber-Gunther-Gasse 2
1120 Wien
Kleines Büffet und Erfrischungen
Dauer der Ausstellung: bis 15. Jänner 2014 (geöffnet: zu den
Besuchszeiten Montag – Freitag (werktags) von 11:00 bis 16:00 Uhr)
Anfahrt: U6 „Tscherttegasse“
(die Station ist praktisch vor der Haustüre)
Fotos der Ausstellungseröffnung:
Informationen und Dokumentation unter:
http://www.handtaschenerzaehlen.wordpress.com